Hochbau

Neubau der Kindertagesstätte
„Kinderhaus Habakuk“ in Friedrichshafen – 2. Preis

Wettbewerbsgegenstand

STÄDTEBAU
Der Neubau der Kindertagesstätte „Kinderhaus Habakuk“ liegt mit seiner Längsseite parallel zum Kastanienweg. Die Platzierung ermöglicht, dass sich das Kinderhaus zu den östlichen Freiflächen öffnet und gleichzeitig eine Abschirmung zur westlichen Wohnbebauung gewährt. Der längs gerichtete Baukörper erhält im Sinne eines Ateliergebäudes Sheddächer. Die nach Norden ausgerichteten Oberlichter erhellen die Räume ganztägig mit natürlichem Tageslicht. Der zweigeschossige Baukörper wird über die nördliche Lindenstraße erschlossen. Eine leichte Erhöhung des ersten Sheds markiert den Zugangsbereich. Über einen kleinen, atmosphärischen Vorplatz gelangt man vom überdachten Eingangsbereich in das Kinderhaus.

PIAZZA
Der Eingangsbereich, der Mehrzweckraum, die offenen Garderoben sowie der Essbereich bilden eine offene Raumzone mit Blick in die Landschaft. Die Piazza empfängt die Kinder, hier findet das erste Frühstück statt. Mit Schiebeelementen lassen sich die einzelnen Bereiche zonieren. Die raumhohen Verglasungen und großzügigen Fensterflächen lassen Innen- und Außenraum verschmelzen. Die einläufige Treppe wird bei Veranstaltungen zur Tribüne. Die Lufträume ermöglichen Blickbeziehungen von den oben gelegenen Ateliers zur Piazza. Das Tagelicht dringt über die Sheddächer weit in das Gebäude. In Kombination mit der hellen Holzmöblierung entsteht ein freundliches und atmosphärisches Gebäude für Kinder und Erwachsene.

KINDERATELIERS
Im Sinne einer „offenen Arbeit“ spielen interne Kommunikation und Informationsaustausch eine wesentliche Rolle. In dem gemeinsamen Haus finden die Kinder Raumzonen wie beispielsweise Ateliers und Werkstätten. Nach dem Ankommen und dem gemeinsamen Frühstück können die Kinder selbständig oder in Begleitung einer Fachkraft entscheiden, welchen Spielort sie aufsuchen. Die Kinderateliers bieten die ideale Umgebung als „offene Spielzone“. Die Atelierräume können mit Glasfaltwänden abgetrennt werden (Schallschutz), zusätzlich sind Vorhänge als optischer Schutz vorgesehen. Blickbeziehung zwischen den verschiedenen Bereichen und Spielzonen sind möglich, gleichzeitig gibt es Rückzugsmöglichkeiten für das konzentrierte Arbeiten. Zwischen den Spielfluren und den Ateliers sind Atelierboxen aus Holz angeordnet und dienen als Materialräume und Garderoben für die Gruppen. Das Obergeschoss kann als eine große zusammenhängende Atelierfläche - für gemeinsame Aktivitäten - oder als Einzelräume mit interner Kleingruppe - für konzentriertes Spielen - genutzt werden. Die weiteren Räume, wie Schlaf-, Musik und Sinne- und Sanitärräume, reihen sich westlich des Spielflurs aneinander.

NESTRÄUME
Die Gruppenräume für die Kinderkrippe befinden sich im Erdgeschoss, direkt südlich der Piazza. Über einen eigenen Zugang ist dieser Bereich unabhängig vom Kindergartenbetrieb geschützt möglich.

LICHTUNG
Das Grundgerüst der Freiraumplanung bildet das Motiv der Lichtung. Der angrenzende Wald zieht sich in das Bearbeitungsgebiet, umschließt dessen Randbereich und bildet so eine lichtungsartige Situation. Die neue Kindertagesstätte mit ihren Freiräumen und die schon Bestehenden, wie beispielsweise der Mehrgenerationenspielplatz und der Sportplatz, fügen sich auf selbstverständliche Weise in die Baumstruktur ein und werden so zu einem Teil des Waldes bzw. der Lichtung. Es entsteht ein atmosphärisch natürliches Gesamtbild, bei dem Architektur und umgebende Landschaft als Einheit funktionieren.

AUSSENSPIELFLÄCHE
Die Außenspielfläche der Kindertagesstätte gliedert sich in 3 „Inseln“ mit differenziertem, altersspezifischen Spieleangebot. Die „Spieleinseln“ liegen frei in einer großzügigen Wiesenfläche und sind so angeordnet, dass sie sich zu den jeweiligen Gruppenräumen orientieren. Ein aufgelockerte Baumsetzung erzeugt verschattete Bereiche und gliedert den Gesamtraum – es entstehen atmosphärisch unterschiedliche Spielzonen, die jedoch im Gesamten gut einsehbar und überschaubar sind. Ziel ist es ein robustes, abwechslungsreiches Spielangebot zu erzeugen, welches die Phantasie anregt und den Bewegungsdrang der Kinder fördert.

TRAGWERK UND WIRTSCHAFTLICHKEIT
Der Neubau des Kinderateliers ist als klar strukturierte und kompakte Holzbaukonstruktion konzipiert. Die Dachkonstruktion ist als Sheddach mit in der Längsrichtung spannenden Brettschichtholzrippendecken konzipiert, die im Bereich der Oberlichter über Ständer auf quer spannenden Brettschichtholzträgern aufliegen. Diese Brettschichtholzträger liegen auf in den Außenwandachsen und der Mittelachse im Bereich des Flurs auf Brettschichtholzstützen auf. Die Geschossdecke über dem Erdgeschoss ist als quer zur Gebäuderichtung spannende Holzrippendecke mit vorgefertigten Deckenelementen, die auf beiden Flurachsen und den Außenachsen aufliegt, konzipiert. Im Bereich der Piazza werden die tragenden Flurachsen in Einzelstützen mit in der Deckenebene integrierten Unterzügen aus Stahl aufgelöst. Die im Freien liegenden Holzstützen lagern dabei für den konstruktiven Holzschutz auf über die Entwässerungseben geführte Betonsockel auf. Die Aussteifung des Gebäudes erfolgt über die in Stahlbeton ausgebildeten Gebäudekerne und eine über beide Geschosse durchlaufende Wandscheibe in Verbindung mit den als Scheiben ausgebildeten Geschossdecken und Dachkonstruktionen. Unter Berücksichtigung des beschriebenen Baugrunds im Baufeld erfolgt die Gründung des Gebäudes in den Haupttragachsen über Stahlbetonbohrpfähle mit darüber liegendem Pfahlkopfbalken in den Grundmoränen. Die Bodenplatte liegt dabei frei spannend auf den Pfahlkopfbalken auf. Das klar strukturierte Tragwerk und die gewählte Konstruktionsart als Holzbau mit dem damit verbundenen hohen möglichen Vorfertigungsgrad der Deckensysteme bietet neben einem effektiven Bauablauf eine wirtschaftlich optimierte Bauweise, die gleichzeitig die Ansprüche nach einer robusten und nachhaltigen Gebäudestruktur erfüllt.

ÖKOLOGIE UND NACHHALTIGKEIT
Als nachwachsender Rohstoff bietet Holz den idealen Baustoff zur Errichtung eines nachhaltigen Gebäudes. Die kompakte Bauweise und flächensparende Anordnung der Räume führen zu einer wirtschaftlichen Konstruktion. Die flach geneigten Sheddächer werden zusätzlich extensiv begrünt. Die Bohrungen der nötigen Pfahlgründung können zusätzlich zur Geothermie hinzugezogen werden.

Preisgerichtsbeurteilung

Die grundsätzliche Positionierung und Ausrichtung des Baukörpers auf dem Grundstück ist nachvollziehbar. Die Ausbildung eines Rückens zum Kastanienweg, die Zugangssituation über die Lindenstraße und die Öffnung nach Osten zum vorgelagerten Freiraum erscheint schlüssig. Kritisch gesehen wird die Ausformulierung des zu kleinen Vorplatzes zwischen Querparkern und Fahrradabstellplatz, die Adressbildung und Funktionalität des Haupteingangs ist einer achtgruppigen KiTa nicht angemessen. Die vorgeschlagene baukörperliche Ausformulierung in Form eines gerichteten Volumens mit Sheddächern wird ausdrücklich begrüßt. Die Anmutung in Anlehnung an ein Ateliergebäude stellt einen angemessenen Umgang mit Ort und Nutzung dar. Gleichzeitig ist durch die Dachform eine Einbindung in die umgebende, kleinteilige Bebauung erreicht. Anerkennung findet der Dialog zwischen den Nutzungen Piazza, Mehrzweckraum und Essbereich mit dem östlich vorgelagerten Freibereich. Die jeweiligen Funktionen bieten einzeln oder zusammengeschaltet eine hohe Flexibilität und beziehen den Garten mit ein. Zusätzliche Qualität bietet die Schichtung der Ostfassade mit eingezogenem Erdgeschoss und vorgelagerten, befestigten Terrassenflächen. Die Spielinseln nach Osten und Süden werden hinsichtlich Ihrer Größe und Ausgestaltung kritisch gesehen. Insgesamt ist die Freiraumgestaltung wenig ausformuliert und die Zuordnung zu den einzelnen Nutzungen zu hinterfragen. Besonders kritisch werden die Einbauten im südlichen, geschützten Baumbestand beurteilt. Das gewählte Motiv der Lichtung für die Freianlagen führt zu einer Introvertiertheit, nutzbare Freifläche geht verloren.

Die Grundrissstruktur ist klar und schlüssig, funktionale Zusammenhänge, Orientierung und räumliche Qualität sind sehr gelungen. Besonders anerkannt wird die Organisation des Obergeschoßes mit großzügigem Spielflur und die Qualität des Eingangsbereichs im Erdgeschoss. Lediglich die unglücklich positionierte Haupttreppe und die räumlich wenig attraktive Erschließungssituation der südlich gelegenen Räume im Erdgeschoss sind überarbeitungswürdig. Die Belichtung über nach Norden ausgerichtete, blendfreie Verglasungen über die gesamte Gebäudebreite ermöglicht im Obergeschoß eine sehr gute Tageslichtsituation und Aufenthaltsqualität. Kontrovers diskutiert wird die Tatsache, dass diese Konstruktion auch über die nach Westen orientierte Nebenraumspange hinwegläuft. Insgesamt ist die innenräumliche Konzeption und Gliederung sehr gelungen. Die räumlichen Bezüge treffen die Vorgaben der Auslobung.

Entsprechend den Wünschen der Ausloberin wird das Gebäude als reine Holzkonstruktion vorgeschlagen. Dabei geht der strukturelle Aufbau sehr gut mit der Primärstruktur zusammen. Die Holzfassaden in Aspenholz haben ebenfalls einen strukturierten, mehrschichtigen Aufbau und hüllen das Gebäude in ein ansprechendes, dem Baukörper angemessenes und zeitgemäßes Kleid. Die flach geneigten Sheddächer werden extensiv begrünt vorgeschlagen. Die kompakte Holzbauweise ist nachhaltig und führt zu einer wirtschaftlichen Konstruktion. Dabei liegen die Planungskennwerte ebenfalls im wirtschaftlichen Bereich. Insgesamt stellt die Arbeit einen sehr gelungenen und differenzierten Beitrag zur gestellten Aufgabe dar.

Kategorie

Nichtoffener Realisierungswettbewerb – 2. Preis

Preisgerichtssitzung

23.04.2020

Standort

Friedrichshafen

Status

Abgeschlossen

Auslober

Stadt Friedrichshafen

vertreten durch Erster Bürgermeister Dr. Ing. Stefan Köhler

Charlottenstraße 12, 88045 Friedrichshafen